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Wie Hochschulen mit der KI-Revolution umgehen könnten

 

Wie ein Tsunami dringen Chatbots in den tertiären Bildungsbereich ein. Selbst Studierende des ersten Semesters haben mit wenigen Klicks einen Zugang zu einem „verarbeiteten Wissen“ durch Chat-GPT und Schwester-Textprogramme.

Derzeit (Juni 2023) reagieren Unis, Fachhochschulen und akademische Lehrgänge kaum darauf, wie das bei großen Organisationen der Fall ist und auch sein muss.

Sie sind Riesentanker, die selbst für kleine Abweichungen vom Kurs viel Zeit und viele zwischenzeitlich gefahrene Kilometer benötigen. In den Seminaren wird vielleicht gesagt, dass Plagiatsprogramme solchen ‚Tricks‘ auf die Spur kommen.

Nur, es funktioniert nicht.

Selbst die besten derzeitigen Plagiats-Entdeckungsprogramme wie Turnitin können nur Wahrscheinlichkeiten angeben. Zahlreich durchgeführte Tests mit tatsächlich von Menschen geschriebenen Essays zeigen, dass einige (wenn zugegebenermaßen wenige Essays) falsch als von der KI geschrieben angeprangert werden.

Selbst die amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus 1776 mit Thomas Jefferson als Hauptautor wird zu 99,9% als KI-geschrieben angesehen (1).

Zuverlässig und als seriöse Bildungsorganisation sich darauf zu verlassen, geht daher nicht. Die Ergebnisse sind zur Bewertung studentischer Arbeiten nicht geeignet. Pauschalverbote wären kontraproduktiv.

 

Mögliche Strategien eines Miteinanderlebens von Institution Hochschule und KI wären:

  • Es ist jetzt schon möglich, dass zwei oder mehr Personen eine wissenschaftliche Arbeit (meist eine Dissertation) gemeinsam erarbeiten. Dies wird anerkannt, sofern ersichtlich ist, wer was verfasst hat. Dies könnte auch für den Einsatz von KI verwendet werden. Der Einsatz von KI muss offengelegt werden – entweder jeweils gekennzeichnet innerhalb des Haupttextes der Arbeit oder im Anhang. KI wäre damit eine herausgehobene Super-Quelle des Literaturverzeichnisses.

 

  • Die Dokumentation und Qualität des individuellen Studienverlaufs wird wichtiger. Haben bis vor Kurzem Studierende inkonsistente Hausarbeiten mit groben Rechtschreibfehlern abgegeben und glänzen nun mit geschliffenen Formulierungen, so wäre dies näher zu prüfen. Eine solche Vorgehensweise hätte überdies den Vorteil, dass sich Hochschulen von einer in einigen Fächern bestehenden Massenabfertigung verabschieden.

    Hurra, die direkte und persönliche Betreuung wäre wieder an der Tagesordnung. Genauso wie es ab dem 11. Jahrhundert, der Gründung von europäischen Universitäten der Fall war: Vortragende/Magistri und Studierende waren eine überschaubare Lern- und WissensGEMEINSCHAFT, eben eine universitas !

 

  • Die Bedeutung schriftlicher Arbeiten wie Haus- oder Seminararbeiten wird sinken. Die Bedeutung mündlicher Prüfungen wird steigen. Dies führt in ein Dilemma, denn es impliziert einen deutlich höheren Ressourcen-Aufwand. Etwas, das die Hochschulen aus budgetären Gründen kaum stemmen können.

 

  • Die Einführung von Hybrid-Prüfungen: Mündliche und schriftliche Prüfungen werden kombiniert. Etwa durch eine Acht-Stunden-Klausur, in welcher nur ein Laptop mit Internetanschluss erlaubt ist. Am Beginn wird eine Problemstellung genannt wird und die Studierenden nutzen KI-Programme zusätzlich zu ihrem inhaltlichen und methodischen Wissen für bestimmte Teil-Aufgaben.

    Es ist leicht, jeden dieser Schritte elektronisch zu dokumentieren und mit dem Endergebnis zu vergleichen. Die Studierenden könnten dann die – auch bisher geforderte – zentrale Einschätzung von Quellen und des Vermögens, sie entsprechend zu verarbeiten, zeigen. Womit ein seriöser Transfer bei der Bearbeitung der Probleme oder des vorgegebenen Themas gewährleistet wird.

    Bisherige Bildungsziele werden rascher und tiefergehend erreicht. Verschwörungstheoretischem Schwurbeln, das auf simplen und nicht überprüften Argumenten beruht, wird das Wasser abgegraben. Da KI aus dem Leben in allernächster Zukunft nicht mehr wegzudenken sein wird, entspräche das einem oft geforderten Anspruch an tertiäre Bildungsinstitutionen, Praxis- und Gesellschaftsaspekte schwerpunktmäßig aufzunehmen.

 

Was auch immer sein wird: Der Arbeitsmarkt der nahen Zukunft wird einen versierten Umgang mit KI voraussetzen!

 

(1) Agarwala, A. (7. Juni 2023). Diesen Text hat eine KI geschrieben. Behauptet eine KI. Aber hat sie auch recht? Wissen. Die Zeit Nr. 25, S. 29

 

 

30. Mai 2023